Verbandspolitische Positionen der AGFK

Die Verbandspolitischen Positionen wurden durch den Vorstand der AGFK erarbeitet und am 30. November 2017 veröffentlicht.

Radverkehrspolitik als Baustein einer nachhaltigen Mobilität in Niedersachsen und Bremen

Das Verkehrsverhalten in Deutschland verändert sich. Die Verkehrsträger des Umweltverbundes – also des ÖPNV, des Fußverkehrs und nicht zuletzt des Radverkehrs – erfreuen sich steigender Beliebtheit. Kinderanhänger, Pedelecs und Lastenräder bereichern das Verkehrsgeschehen. Durch Pedelecs können längere Distanzen mit dem Rad leichter zurückgelegt werden. Inzwischen können auch die ersten Radschnellwege genutzt werden, weitere in Niedersachsen und Bremen sind im Entstehen.

Auch der motorisierte Individualverkehr und der ÖPNV stehen vor weitreichenden, zum Teil sehr grundsätzlichen Veränderungen. Stichworte sind die zunehmende Bedeutung der Elektromobilität sowie die Entwicklung autonom fahrender Kraftfahrzeuge. Noch ist unklar, welche Folgen daraus auf das Verkehrsgeschehen insgesamt resultieren. Zu befürchten ist, dass durch Elektroautos die umwelt- und klimapolitischen Vorteile des Umweltverbundes in den Hintergrund gedrängt werden. Denn Elektroautos haben grundsätzlich dieselben negativen Effekte wie konventionelle Kraftfahrzeuge, wenn es etwa um den immensen Flächenverbrauch durch fahrende oder stehende Autos geht. Auch deswegen sind Bemühungen zur Stärkung des Radverkehrs aktueller denn je.

Radverkehr als Teil der Lösung

Der Radverkehr kann erhebliche Beiträge zur Lösung der Verkehrsprobleme in den Kommunen leisten, insbesondere auch in den Ballungsräumen, aber auch im interkommunalen Verkehr. Auch für den Klimaschutz ist Radverkehr von hoher Bedeutung.

In der Verkehrsplanung sollte der Radverkehr nicht nur als gleichberechtigter Baustein entsprechender integrierter Konzepte und Planungen, sondern auch als eigenständiges Verkehrsmittel im Alltags- und Freizeitverkehr betrachtet werden. Die Förderung des Radverkehrs ist ein eigenständiges verkehrspolitisches Handlungsfeld. Während Radwege bislang überwiegend als Begleitaspekt der Straßenplanung gesehen wurden, brauchen wir künftig ein leistungsfähiges, vollständiges, sicheres und eigenständiges Radverkehrsnetz. Dies ist zu ergänzen durch eine weitergehende Radverkehrsinfrastruktur, wie beispielsweise angemessene Abstellanlagen in Innenstädten, Wohngebäuden oder Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen. Zum Beispiel sollten öffentliche Gebäude über ausreichend viele, sichere und qualitativ zeitgemäße Fahrradabstellanlagen verfügen. Gute Radverkehrsnetze sind intakt, sicher und ausreichend breit. Hinzu kommen fahrradfreundliche Ampelschaltungen, sichere Kreuzungen und ein Fahrradstraßennetz. Nur so kann es gelingen, den Radverkehrsanteil deutlich zu steigern.

Das besondere Potenzial des Radverkehrs liegt darin, dass Radfahren mehr ist als reine Fortbewegung. Immer mehr Menschen in allen Altersgruppen entdecken, dass Radfahren Spaß macht und gesund ist. Das gilt natürlich für die Freizeit und den Urlaub. Aber dieser Vorteil sollte ebenso für den Alltagsverkehr zur Geltung gebracht werden. Auch für die Wege zur Arbeit und zur Ausbildung kann das Fahrrad viel Spaß bringen – bei fast jedem Wetter, wenn man die richtige Kleidung nutzt und am Ziel, also vor allem am Arbeitsplatz, die Möglichkeit zum Umkleiden besteht.

Erwartungen an die Verkehrsteilnehmer

Wer das Verkehrsgeschehen beobachtet, erkennt unschwer, dass wir wieder zu einem verträglicheren Miteinander des Radverkehrs und des Kraftfahrzeugverkehrs kommen müssen. Zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern ist gegenseitiger Respekt erforderlich und angebracht. Auch die Anerkennung der Verkehrsregeln ist existenzieller Teil eines guten Umgangs miteinander. Der Mobilitäts- und Verkehrserziehung  in den Schulen, aber auch in Fahrschulen, kommt hier die Verantwortung zu, entsprechende Module zu planen und zum Einsatz zu bringen.

Erwartungen an die Städte, Gemeinden, Landkreise und die Region

Die Städte, Gemeinden, Landkreise und die Region können einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Radverkehrs leisten. Deswegen müssen sie fahrradfreundlicher werden. An erster Stelle brauchen wir ein radverkehrsfreundliches Klima auf den Straßen und Wegen im täglichen Verkehrsgeschehen, aber auch bei den Entscheidungen in den politischen Gremien und in der Verwaltung.

Zur Förderung des Radverkehrs hat sich vielerorts ein begleitender Arbeitskreis, bestehend aus Vertretern von Verwaltung, Polizei, Verbänden und Wirtschaft, bewährt. Häufig ist Mut und Innovation erforderlich, um den Radverkehr voranzubringen. Noch zu häufig werden schlechte Kompromisse vereinbart, die einer Förderung des Radverkehrs entgegenstehen. So sollte immer wieder überlegt werden, ob wirklich jeder Autoabstellplatz notwendig ist oder ob dieser Platz nicht doch eher für Fußgänger und Radfahrer benötigt wird.

Ein guter Ausgangspunkt sind sowohl kommunale und regionale Mobilitäts- und Verkehrskonzepte, die den Radverkehr integrieren und mit den anderen Verkehrsmitteln verknüpfen, als auch eigenständige  Radverkehrskonzepte, die alle Bereiche abdecken – von der Infrastruktur, dem Alltags- und Freizeitverkehr über den Service bis hin zum Marketing und zur Kommunikation. Dabei müssen alle Radfahrenden im Blick behalten werden, ob auf dem klassischen Fahrrad, auf dem E-Bike, auf dem Mountainbike oder auf dem Lastenrad, ob jung oder alt, ob geübt oder unerfahren.

Radverkehrsförderung ist abhängig von der Ausgangssituation im Radverkehr. Diese ist in jeder Gemeinde unterschiedlich. Sicher ist, dass wir in unseren Bemühungen nicht stehen bleiben dürfen, sondern sie vielmehr intensivieren müssen. Was erreichbar ist, zeigen Beispiele insbesondere aus dem benachbarten Ausland, wie in den Niederlanden und in Dänemark, wo Radverkehr eine sehr hohe Bedeutung hat und breite Radwege in den Städten und als Schnellwege zwischen Gemeinden angelegt wurden und hoch frequentiert werden

Erwartungen an Bund und Länder

Die Radverkehrsförderung in den Kommunen braucht einen guten Rahmen. Den Ländern und dem Bund kommt diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu. Die Länder stehen in der Verantwortung, zeitnah für den Zeitraum ab dem Jahr 2020 eine Nachfolgeregelung für die im Zuge des Bund-Länder-Finanzausgleichs entfallenden Landes-GVFG/Entflechtungsmittel einzuführen, um somit die Kommunen weiterhin in der Radverkehrsförderung als Gemeinschaftsaufgabe der Länder und Gemeinden zu unterstützen.

Außerorts sind Quantität und teilweise auch die Qualität von Radverkehrsanlagen in Niedersachsen bereits auf einem hohen Niveau. Auch im Land Bremen ist eine gute Basis vorhanden. Allerdings muss die Qualität in beiden Ländern vielerorts verbessert werden, um die vorhandenen Radwege für Gegenwart und Zukunft fit zu machen. Eine gute Basis für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur sind die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ aus dem Jahr 2010 (ERA 2010) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Dieses Regelwerk stellt den aktuellen Stand der Technik dar und sollte als verbindliches Regelwerk in beiden Ländern eingeführt werden.

Das Land Niedersachsen benötigt außerdem im zuständigen Ministerium und in den Landesbehörden eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung für den Radverkehr. Das gilt auch für die Dienststellen der Freien Hansestadt Bremen.

Auf Bundesebene muss der Radverkehr in der  Bundesverkehrswegeplanung gleichberechtigt neben anderen Verkehrsmitteln stehen. Der Nationale Radverkehrsplan (NRVP) des Bundes ist fortzuschreiben. Hierbei ist vor allem den Aspekten sowohl einer zunehmenden Pedelec-Nutzung als auch der Finanzierung von Radverkehrsinfrastruktur eine hohe Bedeutung beizumessen. Außerdem brauchen wir bessere gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere durch Reformen der Straßenverkehrsordnung. Darüber hinaus müssen aber auch veraltete und stark an den Anforderungen des Kfz-Verkehrs ausgerichtete Verwaltungsvorschriften und Regelwerke geändert werden, denn diese Werke sind bei weitem nicht so fahrradfreundlich,  wie sie sein sollten und könnten.

 

Siehe hierzu auch den Vortrag "Gedanken der AGFK zum Verkehr" des damaligen AGFK-Vorsitzenden, Prof. Dr. Axel Priebs, auf der Fachtagung "Fahrradland Niedersachsen-Bremen 2017" am 30. November 2017 (1,8 MB).